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«Manchmal kommt mir das Bergsteigen wie eine Droge vor!»

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Susi Kriemler

 

Prof. Dr. med. Susi Kriemler ist Kinderärztin, Sportmedizinerin und Epidemiologin und forscht an der Universität Zürich. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die körperliche Aktivität und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, und, da sie selbst gerne hohe Gipfel erklimmt, auch die Höhenmedizin.

«Manchmal kommt mir das Bergsteigen wie eine Droge vor!»

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Susi Kriemler

 

Prof. Dr. med. Susi Kriemler ist Kinderärztin, Sportmedizinerin und Epidemiologin und forscht an der Universität Zürich. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die körperliche Aktivität und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, und, da sie selbst gerne hohe Gipfel erklimmt, auch die Höhenmedizin.

Die Höhenmedizin ist ein Teilgebiet der Gebirgsmedizin und befasst sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen von Aufenthalten des Menschen in grossen Höhen. Dazu gehört die Höhenkrankheit, welche bei unzureichender Akklimatisation in grossen Höhen auftreten und in schweren Fällen lebensbedrohlich sein kann.

 

Warum bereits bei Familienausfügen aufs Jungfraujoch Vorsicht geboten ist, und wie Frauen und Männer unterschiedlich auf Aufenthalte in grossen Höhen reagieren, erfahren Sie in diesem Artikel.


 

Du hast Erfahrung mit dem Wandern in Hochgebirgen. Wie kamst Du zum Bergsteigen?

Im Studium habe ich aus einer Faszination heraus begonnen mit Klettern, Skitouren und Bergsteigen. Dann habe ich meinen Mann kennengelernt, der auch Bergsteiger war. Wir haben eine Familie gegründet und die Kinder einfach überall hin mitgenommen. Wir waren mit ihnen beispielsweise auch im Everest Base Camp und haben dort auf 4200m drei Monate lang gelebt. Wir haben höhenkranke Personen behandelt und für die einheimische Bevölkerung eine hausärztliche medizinische Behandlung angeboten.

 

Ich finde das Bergsteigen etwas uneingeschränkt Schönes und könnte nicht mehr darauf verzichten. Auch als 60+ hat die Begeisterung kaum abgenommen, vielleicht am ehesten für die im Zusammenhang mit Bergsteigen besuchten müffeligen, vollen Massenlager in den Hütten.

 

Welche Gipfel hast Du schon bezwungen und was genau fasziniert Dich so an Hochgebirgen?

Da gibt es viele auf der ganzen Welt, u.a. das Matterhorn, das Weisshorn oder den Biancograt in der Schweiz, den Kilimanjaro in Afrika oder den Denali (ehm. Mount McKinley) in Alaska. Was fasziniert? Natürlich die Berge selbst, die Natur, die uns zeigt, wie klein und auch hilflos wir sind in dieser mächtigen Natur, das Abenteuer und schlussendlich die Aktivität selbst, die uns lehrt, wo unsere Grenzen sind. Manchmal kommt mir das Bergsteigen wie eine Droge vor – die einen trinken Alkohol, die anderen steigen auf hohe Gipfel.

 

Gesundheitliche Risiken kann man durchaus als Grenzen verstehen. Dazu zählt die Höhenkrankheit. Was ist das?

Die Höhenkrankheit ist ein Symptomkomplex, bei dem man zwischen 3 unterschiedlichen Erkrankungen unterscheidet:

 

  1. die akute Bergkrankheit, auch AMS (acute mountain sickness) genannt
  2. das Höhenlungenödem, auch HAPE (high altitude pulmonary edema) genannt
  3. und das Höhenhirnödem, auch HACE (high altitude cerebral edema) genannt

 

Mit Abstand am häufigsten tritt AMS auf. Du kannst dir einen Hangover nach einem feuchtfröhlichen Abend mit zu viel Alkohol vorstellen: Man fühlt sich schlapp, müde, etwas schwindelig, es ist einem etwas «kötzelig», man hat keinen Appetit und leidet unter Kopfschmerzen. Genau so fühlt sich AMS an.

 

Sehr viel seltener, aber viel gefährlicher sind HAPE und HACE. Dies sind gefährliche Erkrankungen, die, wenn nicht sofort behandelt, lebensbedrohlich sind. HAPE ist ein Lungenödem, das, wie das Wort erklärt, einhergeht mit Wasser auf der Lunge. Dies führt dazu, dass der Sauerstofftransport in der Lunge von der Umgebungsluft ins Blut nicht mehr genügend stattfinden kann. Sauerstoff ist unsere Lebensgrundlage, er ist wichtig, für das Aufrechterhalten der Funktion schlussendlich jeder einzelnen Zelle im Körper. Symptome sind Leistungsschwäche und Atemnot, die Leute können einfach nicht mehr.

 

HACE ist das Pendant im Hirn, also eine Wasseransammlung im Hirn. Auch hier führt es zu Unterversorgung des Hirns mit Sauerstoff, aber auch zu einem erhöhten Hirndruck. Wenn sich plötzlich Wasser innerhalb des Schädels in erhöhtem Masse ansammelt, gibt es zu wenig Platz für das Hirn selbst, und es kommt zu einem erhöhten Druck. Dies geht mit starken Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Bewusstseinsstörungen einher und ist, wie gesagt, lebensgefährlich.

 

Für wen besteht ein Risiko?

Eigentlich ganz einfach. Für alle drei Erkrankungen gilt: wenn zu rasch zu hoch aufgestiegen wird, wird man krank. AMS beginnt ab einer Höhe von 2500m. Diese Höhe ist in vielen Bergregionen der Schweiz erreicht. HAPE und HACE treten meist erst in höheren Höhen ab 4000m auf, also eher auf Expeditionen in höher gelegenen Gebieten der Welt, wie dem Himalaya, Kenia, Aconcagua, Denali und Elbrus, also überall, wo es weit über 4000m Höhe hinaus geht.

 

Ein Risiko besteht bei allen, die die Regeln missachten. Unsere Regeln zur Verhinderung von Höhenkrankheit besagen: ab 2500m darf nicht mehr als 300-500m aufgestiegen werden. Ausschlaggebend ist die Schlafhöhe. Bei allen Erkrankungen gibt es besonders anfällige Menschen. Die Gründe hierfür sind noch nicht ganz erforscht, aber im Grundsatz gilt, einmal höhenkrank, wieder höhenkrank, insbesondere bei Menschen, welche die Regeln beachtet haben. Speziell ausgeprägt ist dieses Wiederholungsrisiko beim HAPE.

 

Wie gefährlich ist die Höhenkrankheit?

AMS ist in milder Form harmlos, bei schwerer Erkrankung kann es jedoch in ein HACE übergehen, dann wird es lebensgefährlich. Auch das HAPE, wenn einmal da, ist lebensgefährlich.

 

Inwiefern spielt das Alter oder Vorerkrankungen eine Rolle?

Das Alter spielt in dem Sinne keine Rolle. Die oben genannten Risiken bestehen für alle Altersgruppen gleichermassen. Viele chronische Erkrankungen hingegen erhöhen natürlich das Gesundheitsrisiko in grossen Höhen. Dies ist ein ausuferndes Gebiet, aber grundsätzlich kann gesagt werden: chronische Erkrankungen, bei welchen der Sauerstoff eine wichtige Rolle spielt, bergen ein besonders grosses Risiko.

 

Spielt physische Fitness eine Rolle?

Ja und nein, dazu gibt es kontroverse Meinungen. Die Fitness spielt in grossen epidemiologischen Studien keine Rolle. Nichtsdestotrotz gibt es Arbeiten, die belegen, dass fitte Bergsteiger:innen oder Trekker:innen häufiger höhenkrank werden als weniger fitte. Wahrscheinlich hat dies damit zu tun, dass sich fitte Bergsteigende eher überfordern und mehr an ihre Grenzen gehen. Denn es ist äusserst wichtig, dem Körper Zeit zu geben, sich an die ungewöhnliche Höhe zu gewöhnen – dies nennt man die Akklimatisation.

 

Wir sind ein Wunderwerk der Natur. Unser Körper hat verschiedene Mechanismen auf Lager, das Überleben in einer ungewohnten Umgebung zu optimieren. Wenn also der Sauerstoffpartialdruck in der Höhe sinkt, kann der Körper nicht so viel Sauerstoff aus der Umgebung aufnehmen, wie er bräuchte. In der Akklimatisation beginnt er deshalb, mehr zu atmen, die Niere passt den Säurehaushalt an, es werden mehr rote Blutkörper produziert. Das ganze System wird so umgestellt, dass vermehrt Sauerstoff ins Blut aufgenommen und ins Gewebe transportiert werden kann.

 

Aber dies braucht Zeit und der Körper darf in dieser Situation nicht überbeansprucht werden. Natürlich ist es immer gut, eine hohe Fitness mitzubringen, denn so bestehen Reserven für die erhebliche körperliche Anstrengung. Das Macho-Verhalten sollte jedoch in der Akklimatisationsphase zu Hause gelassen werden.

 

Könnte es nicht auch sein, dass mehr fitte Personen in grosse Höhen steigen und somit auch mehr fitte Leute krank werden?

Auch das ist möglich, das müsste man sicher noch genauer untersuchen.

 

Weshalb ist die Schlafhöhe und nicht die Höhe, bei der man sich tagsüber aufhält, ausschlaggebend?

Schlafhöhe deshalb, weil kurzfristig und tagsüber mehr Höhe erreichen als dies die Akklimatisationsregeln vorgeben, ist erlaubt, aber nicht über längere Zeit. Die Entwicklung der Höhenkrankheit braucht Zeit, sicher 4 Stunden und mehr, bis sie auftritt. Kurzfristig also höher zu steigen, beispielsweise ein Tagesausflug aufs Jungfraujoch, hat keine Auswirkungen. Aber wieder: es ist wichtig den Körper dabei nicht zu überfordern.

 

Was soll man tun, wenn man krank wird?

Bei milder oder mässigem AMS kann ein Ruhetag eingeschaltet werden. Wenn sich der Zustand nicht verbessert, muss abgestiegen werden, bis die Symptome sistieren. Ein schweres AMS muss behandelt werden und es muss sofort abgestiegen werden. Oft reichen in den Alpen schon 500-1000 Höhenmeter, aber dies hängt von der Höhe ab, bei der die Krankheit aufgetreten ist. HAPE und HACE sind lebensgefährlich, müssen sofort behandelt werden, und wenn immer möglich ist ein passiver Abstieg essenziell. Passiv deshalb, weil dadurch der Körper nicht noch mehr gestresst und dem Körper durch die Anstrengung des Abstiegs Sauerstoff entzogen wird.

 

Kann man der Höhenkrankheit mit Medikamenten vorbeugen?

Ja, das kann man. Insbesondere bei Menschen, die immer wieder erkranken, wenn sie in die Höhe aufsteigen. Das Mittel der Wahl bei AMS ist Diamox, ein Mittel, das die Atmung steigert und in den Säure-Basenhaushalt des Körpers eingreift. Gegen HAPE gibt es Nifedipin, gegen HACE Dexamethason. Für alle Medikamente braucht es aber eine Beratung von einer Fachperson, die können nicht einfach ohne Rezept in der Apotheke gekauft werden.

 

Eine andere Variante der Prävention ist die Vor-Akklimatisierung. Dafür muss man in den 1-2 Monaten vor der Expedition in grosse Höhen in vergleichbarer Höhe schlafen. Je länger man dies tut, desto besser ist man akklimatisiert. Zwischen Akklimatisation und Expedition darf nicht zu viel Zeit vergehen, da man die Gewöhnung wieder verlieren kann, wenn man absteigt.

 

Was soll in eine Notfallapotheke für eine Hochgebirgswanderung?

Für Laien braucht es nichts Spezielles, vielleicht ein Schmerzmittel, das dann bei Kopfschmerzen eingesetzt werden kann. Geht es auf Reisen, wo ein Arzt oder eine Ärztin nicht rasch erreichbar ist, braucht es eine reisemedizinische Beratung. Dort würde ich dann die Notfallmedikamente für die Therapie der Höhenkrankheiten mitgeben, aber auch ein Antibiotikum für bakterielle Infekte, und natürlich sollte der Impfstatus geprüft und ggf. aktualisiert werden.

 

2005 hast Du eine interessante Publikation mitveröffentlicht: «Medical Recommendations for Women Going to Altitude»[1]. Ihr habt festgestellt, dass es bezüglich Höhenkrankheit und Akklimatisation durchaus einige Unterschiede gibt zwischen den Geschlechtern. Kannst Du uns dazu etwas erzählen?

Wir sind gerade dran, diese Empfehlungen zu überarbeiten, da mittlerweile vieles besser erforscht ist. Dieses und nächstes Jahr werden wir einige Forschungsergebnisse zum diesem Thema veröffentlichen. Grundsätzlich gibt es punkto Akklimatisation, AMS und HACE keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern. HAPE tritt aber klar häufiger bei Männern als bei Frauen auf. Warum das so ist, wissen wir noch nicht. Ein Teil kann auch damit zusammenhängen, dass Frauen noch immer weniger häufig auf hohe Berge steigen als Männer. Vielleicht spielt auch das Macho-Verhalten bei Männern eine Rolle und möglicherweise gibt es auch physiologische Unterschiede. Wir wissen es schlicht noch nicht.

 

Ihr habt auch festgestellt, dass der Aufstieg ins Hochgebirge einen Einfluss auf den Menstruationszyklus haben kann. Wie kommt das?

Die Exposition auf hohe Berge ist für den menschlichen Körper ein Stress. Der Menstruationszyklus reagiert sehr sensibel auf Stress. Sprich, er gerät durcheinander. Oft sistieren die Blutungen, da der Körper so quasi Energie dort spart, wo er einfach sparen kann. Der Stress beruht nicht nur auf dem Sauerstoffdefizit beim Aufstieg in grosse Höhen, sondern auch auf dem Reisen allgemein, der Umstellung der Uhr, auf Kälte, körperliche Anstrengung, einer anderen Ernährung und so weiter.

 

Noch etwas ganz Wichtiges: keine Mens heisst nicht, dass man nicht schwanger werden kann. Es muss also auch bei Sistieren der Mens verhütet werden. Und keine Mens heisst auch nicht, dass diese nicht plötzlich wieder auftreten kann. Darauf muss man vorbereitet sein. Menstruieren kann gerade auf langen Expeditionen im Hochgebirge, bei welchen man in Zelten schläft und die Hygienesituation ohne Zugang zu fliessendem Wasser schwierig ist, eine Herausforderung sein.

 

Anscheinend hat die hormonelle Verhütung einen Einfluss auf das Thromboserisiko in grossen Höhen?

Die Menstruation in hygienisch kritischen Situationen ist ein «notwendiges Übel», wenn ich dies so sagen darf. Man kann diese sistieren mit einer Pille, die man dann einfach während der gesamten Zeit des Höhenaufenthaltes nimmt. Verschiedene Pillen haben unterschiedliche Zusammensetzungen von Östrogen und Progesteron, der Markt ist riesig. Man hat in grossen epidemiologischen Studien gesehen, dass Pillen je nach Zusammensetzung ein unterschiedliches Thromboserisiko bergen, übrigens ganz unabhängig von der Aufenthaltshöhe. Obwohl bei der Einnahme der Pille immer ein Thromboserisiko besteht, kann man heutzutage davon ausgehen, dass immer die Pille mit dem geringstmöglichen Risiko verschrieben wird.

 

Generell punkto Thromboserisiko in der Höhe kann noch gesagt werden: wenn jemand die Pille schon jahrelang nimmt, besteht nicht plötzlich ein erhöhtes Thromboserisiko, wenn diese Person ins Hochgebirge aufsteigt und die Pille weiterhin nimmt. Zudem können andere Faktoren das Thromboserisiko im Hochgebirge auch noch beeinflussen, wie beispielsweise die Kälte, die Verdickung des Blutes durch die erhöhte Produktion von roten Blutkörpern oder die Dehydrierung.

 

Anscheinend können Eisenwerte die Akklimatisierung beeinflussen. Was heisst das?

Eigentlich ist das ganz einfach. Eisen ist ein wichtiger Bestandteil der roten Blutkörperchen. Eisen ist sozusagen die Trägersubstanz des Sauerstoffs in den Blutkörperchen. Fehlt Eisen dort, kann der Transport von Sauerstoff von der Lunge ins Gewebe nicht mehr optimal stattfinden, der Transport ist gestört. Es ist deshalb vor allem für die Frauen vor der Menopause wichtig (da diese durch die regelmässige Blutung oft an Eisenmangel leiden), dass sie ihre Reise mit genügend Reserven antreten. Ein kurzer Check beim Hausarzt oder der Hausärztin ist hier ratsam, insbesondere vor längeren Reisen in die Höhe. Bei kurzfristigen Aufenthalten spielt ein mögliches Defizit an Eisen eine untergeordnete Rolle.

 

Welche anderen Risiken darf man bei Wanderungen in Hochgebirgen nicht vergessen?

Unfälle jeder Art sind wahrscheinlich das grösste Risiko. Heute steigen unendlich viele Menschen auf hohe Berge, und darunter sind auch viele, die dies mehr oder weniger unvorbereitet und «kopflos» tun. Sie haben keine gute Kleidung gegen Wettereinflüsse, kein gutes Schuhwerk, sie haben keinen Biwaksack gegen Kälte, keinen Notproviant, wenn sie irgendwo festsitzen, haben ungenügend Flüssigkeit dabei, kennen den Notruf nicht und können das Gelände nicht nach Gefahren beurteilen.

 

Es gibt Gefahrenmomente ohne Ende und viele Laien-Bergsteiger:innen unterschätzen diese im Hochgebirge. Eine gute Vorbereitung ist deshalb ein absolutes «Muss». Sich die ganzen guten Tricks in einer Bergsteigerschule anzueignen wäre ja eine ideale Alternative, nicht?

 

▶️ Eine Vorbereitungs-Checkliste für Wanderungen im Hochgebirge finden Sie am Ende dieses Artikels.

 

Du hast natürlich auch einiges publiziert zu Kindern in Hochgebirgen. Was sind hier die wichtigsten Take-Aways?

Ja, man muss bei der Höhenkrankheit nicht immer gleich an lange Expeditionen im Himalaya denken, denn hohe Gipfel sind in der Schweiz durch all die Bergbahnen sehr einfach zu erreichen und auch beliebte Familienziele. Beispielsweise ein Familienausflug aufs Jungfraujoch mit Übernachtung in der Mönchsjochhütte verlangt bereits nach entsprechender Vorbereitung, denn diese befindet sich auf über 3500m. Die Eltern stehen hier in der Verantwortung, die Kinder entsprechend zu akklimatisieren, damit diese nicht erkranken.

 

Wir haben auf dem Jungfraujoch eine der grössten Studien mit Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Dort haben wir festgestellt, dass Kinder und Jugendlich nicht mehr anfällig auf die Höhenkrankheit waren als Erwachsene. Es gibt also keine wesentlichen Unterschiede. Oder anders gesagt: Kinder werden genauso höhenkrank. Für mich ist wichtig, dass man sie vor dieser so gut wie möglich schützt. Dies bedeutet, die Richtlinien der Akklimatisation befolgen: ab 2500m nicht mehr als 300-500m Schlafhöhe hinzugewinnen und alle 3-4 Tage einen Ruhetag einzulegen. Und dazu: Kinder fordern, aber nicht überfordern. Die Berge sollen zu einem positiven Erlebnis werden und nicht zu einer Schinderei mit Höhenkrankheit. Hierzu gibt es einen guten Artikel, den wir vor ein paar Jahren geschrieben haben, alles darin gilt heute noch.

 

Gibt es andere Themen, Organisationen oder Projekte, auf die Du gerne aufmerksam machen möchtest?

Ja, es gibt eine hochaktuelle Publikation von Peter Hackett  und David Shlim, zwei Urgesteine in der Wissenschaft zur Höhenkrankheit, die die ersten grossen epidemiologischen Studien dazu durchgeführt haben. Wer die Themen Reisen in grosse Höhen und Höhenkrankheit gerne etwas vertiefen möchte, denen empfehle ich dieses Kapitel im CDC Yellow Book.

 

Ich bin zudem Teil einer Gruppe von etwa 10 bergsteigenden Frauen aus verschiedenen Ländern weltweit, die wissenschaftlich tätig sind und unter dem Label der UIAA (Union Internationale des Associations d’Alpinisme[2]) ein Projekt durchführen, in welchem bergsteigende Frauen in den Fokus genommen werden. Wir sind aktuell dabei, Artikel zu verschiedenen Inhalten zu verfassen. Dazu gehören frauenspezifische Themen wie Schwangerschaft, Menopause, Verhütung und Umgang mit der Mens beim Bergsteigen. Wir arbeiten auch an Kapiteln zu Unterschieden bei den Geschlechtern bezüglich Höhenkrankheit, Ernährung, Erfrierungen und Todesfällen in den Bergen. Die ersten Artikel werden dieses Jahr noch veröffentlicht und zu jeder wissenschaftlichen Publikation wird auf der Website der UIAA auch eine Laienversion publiziert werden.

 

Was für ein grossartiges Projekt! Dann sind wir gespannt auf die kommenden Publikationen. Vielen Dank für das interessante Gespräch.

 

 

Vorbereitungs-Checkliste für Wanderungen im Hochgebirge



Geeignete Kleidung (Schuhwerk, Mütze, Jacke, Handschuhe, Sonnenbrille, etc.)

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Ausreichend Proviant (inkl. Notfallproviant)

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Ausreichend Wasser!

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Vorbereitung der genauen Route

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Gewährleistung Navigationsmöglichkeit unterwegs

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Wetterberichts-Check

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Notfallplan inkl. Notfallnummern

 

 

 

 

Wer sich für einen persönlichen Erfahrungsbericht interessiert, kann sich die erste Episode unserer «Wanderlust Chronicles» zu Gemüte führen, in welcher unsere Business Managerin Jenny Crawford von ihrem Trip nach Peru erzählt, bei welchem sie hoffnungslos höhenkrank wurde. Hier geht’s zum Artikel.

 

 

 

Interview: Cécile Rasi

 

 

[1]  Medizinische Empfehlungen für Frauen, die in die Höhe gehen: Medical Recommendations for Women Going to Altitude. A Medical Commission UIAA* Consensus Paper.

[2]  Die UIAA ist eine weltweit tätige Organisation von Mediziner:innen und Fachexpert:innen, die sich mit Höhe beschäftigen. UIAA – International Climbing and Mountaineering Federation

 

 

 

 

 

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